Voll besetzt war der Saal im Haus Martfeld zum Internationalen Frauentag, der unter dem Titel „Darf’s ein bisschen mehr sein? Rechte. Gleichheit. Ermächtigung“ stand. Natürlich darf es bei Frauenrechten nicht nur mehr sein, „es soll auch mehr sein“, wie Schwelms Gleichstellungsbeauftragte Anke Steger unterstrich, die gemeinsam mit ihrer Stellvertreterin Lina Feder zu dieser Veranstaltung eingeladen hatte. Und die war bis zur letzten Minute inhaltsreich, spannend, ja, packend.
Sie spiegelte ein klares Bild der Gegenwart wider, in der Frauen sich von Zuschreibungen durch Dritte lösen, ihren Selbstwert selbst bestimmen und große Solidarität mit anderen Frauen betonen. Zitat: „Ich bin richtig, wie ich bin!“
In ihrer Begrüßung verwies Anke Steger darauf, dass angesichts der Krisen in der Welt erkämpfte Frauenrechte wieder stärker bedroht seien oder ignoriert würden. „In diesen Zeiten, in denen die Demokratie auf dem Prüfstand steht, nimmt auch die Ablehnung an feministischen Ideen und Errungenschaften zu“, weiß die Fachfrau. Angesichts des gut 100jährigen Kampfes von Frauen um Emanzipation in Deutschland mit seinen vielen Hochs und Tiefs stünden „wir auf den Schultern von Riesinnen, denen wir viel zu verdanken haben“.
Mehrere Referentinnen sprachen über ihren Weg zu einem selbstbestimmten Leben. So die freiberufliche Schwelmer Hebamme Diana Dudde, die ihren Beruf, in dem man eine Frau in der Schwangerschaft, dann unter der Geburt und schließlich im Wochenbett begleitet, als „Kraftquelle“ bezeichnet. Sie möchte, dass die Geburt ihres Kindes „für alle Frauen“, unabhängig von Herkunft, Einkommen, Sprachkenntnissen und Kassenzugehörigkeit ein beglückendes Erlebnis sein soll.
Sie, selbst dreifache Mutter, erlebe sehr gute Teamarbeit zwischen Ärzteschaft und Hebammen im Schwelmer Helios-Krankenhaus, wisse aber auch, dass es in Krankenhäusern immer noch zu „Gewalt im Kreissaal“ komme, wenn beispielsweise der Frau auf den Bauch gedrückt werde, weil das Kind nicht zu kommen scheine oder weil Gebärende gefragt würden: „Warum schreist Du?“
Erschüttert habe sie in der Coronazeit, dass Frauen in Kreißsälen oft bis kurz vor der Geburt ohne familiäre Begleitung waren: „Bei der Geburt und im Sterben“, so Diana Dudde, „dürfen die Menschen nicht allein gelassen werden!“
Dass die Ausbildung zur Hebamme inzwischen durch ein Studium mit hohem NC abgelöst worden sei, verschließe vielen Frauen diesen Berufsweg, weiß Diana Dudde. Eine Geburt werde mit 198 Euro vergütet; gleichwohl sei eine hohe Berufsversicherung zu tragen. Dabei stünden Hebammen den Frauen bei vielem bei, und sei es beim Ausfüllen des Elterngeldantrages, falls sie diese dies nicht allein könnten. „Wir sagen jeder Frau: „Du schaffst es! Und jede Frau auf der Welt, die ein Kind bekommt, gehört gleich gut betreut!“
Die Schwelmer Einzelhändlerin Maike Niermann (37) ist Gründerin und Inhaberin des 2021 eröffneten Unverpackt-Ladens „Naturfülle“ in Schwelms Fußgängerzone. Die studierte Wirtschaftswissenschaftlerin und langjährige frühere Mitarbeiterin eines namhaften Unternehmens mit fast 3000 Mitarbeitenden staunte nicht schlecht, als ihr letztens ein Kunde in den Mittfünfzigern beim Einkauf in ihrem Geschäft zu verstehen gab, dass ihre tagtägliche Verantwortung für ihr Geschäft ja sicher eher eine Art Hobby sei - hier großes Raunen bei den Gästen des Frauentages, von denen wohl nicht wenige schon eine unerbetene Herabwürdigung ihrer eigenen Berufstätigkeit erlebt haben.
Doch Maike Niermann hält sich nicht mit solch lästigen Erblasten patriarchalischen Auftretens auf; ihr Lebenspartner zieht beim Betreuen des gemeinsamen Kindes und in der Lebensorganisation mit.
Der Schritt in die Selbstständigkeit schien ihr geboten, als sie sich fragte: „Wie wollen wir künftig leben? In einer Welt mit immer mehr Verpackungsmüll?“ Größter Stolperstein bleiben aber für die Geschäftsfrau die Öffnungszeiten der Kindertagesstätten: „Ohne Unterstützung durch Familie und Partner geht es nicht!“
Maike Niermann: „Frauen machen sich oft so klein!“ Sie plädiert für mehr Selbstliebe, die sich in der Überzeugung ausdrückt „Du bist gut, wie du bist!“ Das mache Frauen und auch schon Kinder mutiger.
Dass die Gesellschaft auch heute noch mehr tun könnte für Frauen, steht für die 34jährige Lina Feder fest. Beruflich arbeitet die dynamische Frau (Masterabschluss) als Klimamanagerin der Stadt Schwelm / und stundenweise Vertretung der Gleichstellungsbeauftragten.
„Traurigerweise sind die meisten Frauen Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechts gewöhnt genauso wie übergriffige Kommentare und das reduziert werden aufs Äußere; doch ist es das Muttersein, was mich noch mehr über den Stellenwert der Frau hat nachdenken lassen“, bilanziert die Referentin mit Blick auf die finanziellen Nachteile, wenn Frauen in Elternzeit gehen.
Patriarchale Strukturen, unter denen auch oft Männer leiden würden, würden sie wütend machen, so z.B. ein überzogenes Frauenbild, nachdem Frauen perfekt zu funktionieren hätten, doch bloß nie laut werden sollen (warum eigentlich nicht?).
Schon gebe es wieder Parteien mit konservativen Rollenbildern und man „muss Diskussionen führen, die man nicht mehr führen sollte“.
Lina Feder spricht einer feministischen Erziehung auch von Söhnen das Wort, damit nicht Mädchen als „süß“ und „lieb“ domestiziert würden, Jungen aber „wild“ und „stark“ sein dürften.
Und als Klimamanagerin sieht sie global mehr Frauen als Männer vom Klimawandel betroffen, da diese im Schnitt weniger Land, Mittel und Bildung besitzen.
Den Abschluss bildete eine Teilnehmerin aus dem Schwelmer Frauencafé, die schilderte, dass sie erst jetzt - mit 48 Jahren - zu einem selbstbestimmten Leben gelangen konnte. Die gebürtige Türkin hatte im eigenen Zuhause keine Fürsprache erfahren und glaubte, durch die Ehe Freiheit und Selbstbestimmung zu erlangen. Ein Trugschluss, der sie mit den Jahren körperlich und seelisch zermürbte. Denn ihr blieb jede eigenständige Entwicklung verwehrt: „Ich habe jahrelang nur die Wände anstarren können“.
Zum Schluss verhalf ihr eine Therapie zu neuer Kraft. Und eine ganz neue Welt voller Lebensmut eröffnete sich ihr durch die Teilnahme am Schwelmer Frauencafé. „Ich danke Heike Philipp dafür, dass wir in dieser Gemeinschaft offen miteinander umgehen können“. Ihr Rat: „Schämt Euch nicht, wenn ihr Hilfe braucht. Wir Frauen, egal woher wir kommen, müssen uns Kraft geben, damit wir unser Leben leben können“.
Zwischen den Referaten fanden die Gäste bei Kaffee, Kuchen und stimmungsvoller Akkordeonmusik (Korinna Schlink, Carola Gundlach) zu intensiven Gesprächen und vernetzten sich.
Der Internationale Frauentag endete mit der Fotoaktion „Es darf mehr sein von...“, in der einige der Frauen ihre Wünsche für eine gleichberechtigte Zukunft aufzeigten.
Schwelm, den 27. März 2025